«Nette Leute, aber nicht wirklich fähig»

Rückblick auf den Communication Summit 2017

bluereport.net
3 min readFeb 9, 2017

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Am Mittwoch, 8. Februar 2017, hat sich die Zürcher Medien- und PR-Branche im Audimax der ETH Zürich zum alljährlichen Communication Summit versammelt. Im Zentrum der Diskussion standen folgende Fragen: Ist die Schweiz kommunikativ ein Sonderfall? Tickt die Schweizer Kommunikationsbranche wirklich anders? Wie nehmen uns Ausländer wahr, die mehrere Jahre hier gelebt und gearbeitet haben? Wo gibt es wesentliche kommunikative Unterschiede? Wo können wir lernen oder sind wir gar Vorbild?

Die Einführung ins Thema übernahm Dr. Haig Simonian, freier Journalist und ehemaliger Korrespondent der «Financial Times». Aufgrund seiner monatliche Kolumne für die NZZ am Sonntag und seiner regelmässigen Radio- und TV-Auftritte hierzulande konnte sich der Engländer ein gutes Bild über die Schweizer Kommunikationslandschaft verschaffen. In seiner knapp 20 minütigen Keynote hat er jedoch nicht viele positive Worte dafür übrig. Es seien zwar alles nette Leute hier, aber sie sind nicht wirklich fähig. Viel zu sehr sei man darauf bedacht, sein eigenes Ding zu tun. Simonian beschreibt Schweizer PR-Leute als Einzelkämpfer, die Geselligkeit nicht wirklich hoch schreiben und vorwiegend formelle Kontakte zu Journalisten pflegen. Er ist auch der Meinung, die Schweizer Medienbranche habe die Digitalisierung verschlafen: Schöne Newsrooms alleine reichen da einfach nicht aus.

Anschliessend tauschten sich unter der Moderation von Reto Lipp (SRF, «ECO») Dr. Gerlinde Manz-Christ, Business-Diplomatin und ehemalige Leiterin der Stabstelle für Kommunikation & PR im Fürstentum Liechtenstein, Ralph Grosse-Bley, Journalist und ehemaliger «Blick»-Chefredaktor sowie der Journalist und ehemalige Chefredaktor vom «Schweizer Journalist» Markus Wiegand aus.

Als erstes sollten die Podiumsteilnehmer die Schweizer Kommunikationsbranche in zwei Sätzen beschreiben. Neben Adjektiven wie humorlos, langsam, tiefgründig wurde vor allem ein Wort immer wieder genannt: kuschelig. Warum das so ist, liegt für Markus Wiegand auf der Hand: Die Schweiz ist klein, das heisst man kennt sich auch privat und traut sich deshalb nicht, mit harten Tönen um sich zu schlagen. Man weiss ja nie wo, wie oder wann man sein Gegenüber wieder trifft.

Das wars dann aber eigentlich auch schon zum eigentlichen Thema «Kommunikation Schweiz — Die Aussensicht von Insidern». Schon ein paar Minuten später war man vom eigentlich vorgesehenen Kerngesprächsthema des Abends weit entfernt und wandte sich thematisch dem Dauerbrenner der letzten Monate und Jahre zu: Der Digitalisierung der Medienwelt und möglichen Finanzierungsmodellen für professionellen Qualitäts-Journalismus. Das Abdriften vom Diskussionsgegenstand blieb auch auf Twitter nicht unkommentiert:

Von der fehlenden Geselligkeit, die Haig Simonian den Schweizer Medienschaffenden unterstellte, war am anschliessenden Apéro riche dann allerdings nichts zu merken. Es wurde fleissig weiter diskutiert, vielleicht wenigstens hier über das eigentliche Thema der Veranstaltung. Was bleibt also als Fazit des Communication Summits 2017? Es gibt relativ wenig Opposition darüber, dass es in der hiesigen Medienlandschaft etwas weniger kuschelig, dafür etwas bissiger oder je nach Kontext auch geselliger zugehen soll. Aber im Vergleich zu den fehlenden Antworten auf die drängenden Fragen rund um das Fortschreiten Digitalisierung und die nach wie vor nicht zukunftsfähigen Verdienstmodelle der Verlagshäuser ist das ein absoluter Nebenschauplatz.

Weitere Impressionen

Impressionen zum Event finden Sie in der ZPRG-Bildergalerie. Die Bilder stammen von Markus Senn.

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